Als neuer Professor für „Vernetzte Energiesysteme" forscht und lehrt Prof. Schneider für eine klimaschonende Energieversorgung. Gemeinsam mit Studierenden möchte er in Zukunft neue Lösungen für eine erfolgreiche Vernetzung der Energiesysteme entwickeln, um die Industrie fit für eine klimaschonende Zukunft zu machen.
A. Schreyer: Herr Prof. Schneider, Sie sind seit Januar 2021 Inhaber der Professur „Vernetzte Energiesysteme" an der Fakultät Ingenieurwissenschaften. Was sind Ihre neuen Aufgabenbereiche, die Sie als Professor übernommen haben?
Prof. Schneider: Um dem Klimawandel zu begegnen, ist eine erfolgreiche Energiewende weg von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas hin zu erneuerbaren Energien insbesondere Wind und Solar zwingend und dringend erforderlich. Wind- und Solaranlagen erzeugen sehr günstig und klimaschonend elektrische Energie, sind jedoch wetterabhängig. Daher muss im neuen Energiesystem die Nachfrage auf das Angebot reagieren. Da die dafür nötige Flexibilität im Stromsektor alleine nicht ausreicht, elektrische Speicher relativ teuer sind und andere Energiesektoren nicht über ähnlich günstig und klimaschonende Energiequellen verfügen, ist eine Vernetzung mit den Energiesystemen für Wärme, Gas und Mobilität für alle Seiten von Vorteil. In allen drei Bereichen sind große, günstigere Energiespeicher entweder bereits vorhanden oder werden gerade entwickelt. Die Vernetzung benötigt die Digitalisierung zur Informationsverarbeitung von Daten aus allen Energiesektoren und eine optimale Regelung von Angebot und Nachfrage basierend auf Marktdaten. Komplexität, Bedeutung und Umfang dieser neuen Herausforderung rechtfertigen einen neuen Lehrstuhl an der HTWK Leipzig, um die Studierenden auf die Aufgaben in Ihrem Berufsfeld nicht nur in der Energietechnik, sondern auch für die Informationstechnik und Digitalisierung vorzubereiten.
Bachelorstudium
Pflichtfach: Energiesystemtechnik
Wahlpflichtfächer: Energieumwandlungs- und –speichertechnologien, Photovoltaik als Energiequelle
Masterstudium
Pflichtfach: Simulation vernetzter Energiesysteme
Wahlpflichtfächer: Modellierung von Microgrids, Aktuelle Themen der Energiesystemforschung
A. Schreyer: Wie kommt es, dass Sie sich für diesen Forschungs- und Lehrbereich entschieden haben? Wussten Sie bereits vor dem Studium, welchen Weg Sie später einschlagen wollen?
Prof. Schneider: Kurz vor meinem Abitur Mitte der 90er Jahre habe ich einen Zeitungsartikel über das Rocky Mountain Institut in den USA gelesen und war fasziniert von den vielen spannenden Forschungsthemen, die dort im Rahmen der effizienten Energienutzung und –einsparung untersucht werden. Die Energieversorgung und -nutzung spielt für den nachhaltigen Umgang mit unserem Planeten eine essentielle Rolle. Aus dem allgemeinen Energieinteresse hat sich schnell das spezielle Interesse an der Photovoltaik entwickelt, also der Stromerzeugung aus Sonnenlicht. Tatsächlich habe ich mich bereits mit diesem Interesse für das Studium der Elektrotechnik entschieden. Für mich war es immer wichtig meinen größtmöglichen Beitrag für das Gelingen der Energiewende zu leisten. Daher bin ich beruflich der wechselhaften Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland gefolgt und habe einen Weg aus der Forschung in die Industrie und zurück in die Forschung hinter mir.
Heute kommt der allergrößte Teil der günstigen Solarmodule aus Asien und die großen Fragen drehen sich um die Integration ins Energiesystem und einen erfolgreichen Strukturwandel, um die europäische Industrie fit zu machen für eine klimaschonende Zukunft. Die FridaysForFuture Bewegung verbessert das allgemeine Verständnis für die drängenden Fragen und viele motivierte, junge Menschen kommen an die Hochschulen und wollen ihren Beitrag für eine lebenswerte Zukunft leisten. Ich freue mich sehr darauf, die Studierenden auf diesem Weg mit meinen Erfahrungen und Erkenntnissen zu unterstützen und gemeinsam mit Ihnen neue Lösungen zu entwickeln, um eine erfolgreiche Vernetzung der Energiesysteme zu gestalten.
A. Schreyer: Was glauben Sie, sollten Studierende, die sich für ein Studium an der Fakultät Ingenieurwissenschaften entscheiden, an Fähigkeiten und Interessen mitbringen?
Prof. Schneider: Für das Ingenieursstudium ist das Verständnis von mathematischen Methoden und physikalischen Zusammenhängen natürlich sehr wichtig. Die Fähigkeit Programmieren zu können, ist heute in vielen Bereichen sehr gefragt und erleichtert den Umgang mit Daten. Das wissenschaftliche Arbeiten zeichnet sich durch das objektive Vermessen und Bewerten des Untersuchungsgegenstands aus, Freude und Interesse an dieser Arbeitsweise und den entstehenden Kenntnissen hilft im Studium immer weiter. Aber viel wichtiger als all das ist die eigene Motivation und die Freude daran immer neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Der Ingenieursberuf ist geprägt von immerwährender Kreativität und dem Umgang mit neuen Herausforderungen. Ingenieure sind Problemlöser und der alte Spruch gilt immer noch: „Dem Ingenieur ist nichts zu schwör!“
A. Schreyer: Welche neuen Projekte würden Sie gerne in Zukunft realisieren?
Prof. Schneider: Die große Stärke von Hochschulen sind die immer neuen Studierenden mit kreativen, eigenen Ideen und Ansätzen. Daher möchte ich insbesondere gemeinsam mit den Studierenden neue Lösungen entwickeln. Wie oben beschrieben ist das Programmieren hierfür ein wichtiges Werkzeug, sodass ich mir vorgenommen habe, hier selbst nochmal die Schulbank zu drücken und die Programmiersprache Python zu erlernen, um Studierende in ihren Arbeiten optimal zu unterstützen und die Ergebnisse nach deren Studienabschluss weiter zu nutzen. Inhaltlich bieten sich mit Python viele Möglichkeiten von der Berechnung von Solarerträgen, über die Prognose von Strommarktpreisen bis zur Aufbereitung von Energieflüssen in den Sektoren zur übersichtlichen Darstellung.
Darüber hinaus plane ich gemeinsam mit Kollegen ein neues Labor für „Vernetzte Energiesysteme“ aufzubauen, in dem wir in kleinen Dimensionen die Energiewandlung zwischen den Sektoren und deren Steuerung praktisch simulieren können. Dieses Labor will ich sowohl in der Lehre als auch in der Forschung immer weiterentwickeln. Genauso wie sich das Energiesystem immer weiterentwickelt. Es gibt immer Raum für neue kreative Ideen und diesen möchte ich an der HTWK im Themenbereich „Vernetzte Energiesysteme“ schaffen und nutzen.