Gebäudeenergietechnik - ein spannendes Gebiet: Von Wärmeerzeugern der Zukunft bis Lösungsmöglichkeiten bei Trinkwasserverknappung
A. Schreyer: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Berufung als Professor für Gebäudeenergietechnik an der Fakultät Ingenieurwissenschaften der HTWK Leipzig. Können Sie uns kurz erläutern, welche Aufgabenbereiche mit Ihrer Professur verbunden sind?
Prof. Dr.-Ing. Gero Guzek: Vielen Dank Frau Schreyer! Ich freue mich sehr, seit dem 01.04.2023 Mitglied der HTWK-Familie zu sein!
Die Professur „Gebäudeenergietechnik“ ist eine Kernprofessur für das Studium der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik an der Fakultät Ingenieurwissenschaften der HTWK Leipzig und ist insbesondere für die weitere Entwicklung der HTWK-Profillinie „Bauen und Energie“ von grundlegender Bedeutung. Die Professur bildet eine Schnittstelle zwischen der Energietechnik, der Elektro- und Informationstechnik sowie der Architektur und dem Bauwesen. Die Kompetenzen auf dem Gebiet der Heizungstechnik und Trinkwasserhygiene sollen beibehalten und insbesondere in den Bereichen der Nutzung regenerativer Energien und BIM-Methoden in der Gebäudeenergietechnik erweitert und ausgebaut werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Ansatz der integralen Planung und der Vermittlung von Fähigkeiten einer optimalen Projektumsetzung im Spannungsfeld Kosten, Termine und Qualitäten. Anlagen, Gebäude und Nutzer konnten bislang jeweils für sich allein betrachtet bedeutende Erfolge in der Energieeinsparung aufweisen. Weiteres Potenzial liegt häufig nur im optimalen Zusammenspiel der vorgenannten Komponenten. Forschungsschwerpunkte liegen deshalb in der Energiekonzeption mit Verwendung nachhaltiger Energiesysteme, beim Energiemonitoring, Untersuchungen zur thermischen Behaglichkeit, dem Nutzerverhalten in intelligenten Gebäuden. In der Sanitärtechnik ist zur Gewährleistung der Trinkwasserhygiene die Einhaltung der maximalen Trinkwassertemperatur in Kaltwassernetzen sowie die erforderliche minimale Temperatur im Trinkwarmwasser- und Zirkulationsnetz von großer Bedeutung und deshalb auch Forschungsschwerpunkt.
Seit 2019 lehre ich bereits im Sommersemester an der HTWK „Safer Projects“ im Mastermodul „Spezialgebiete der Gebäudetechnik“ der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik. In diesem Modul werden praxisnah Fähigkeiten vermittelt, gebäudetechnische Projekte „sicherer“ zu gestalten, insbesondere durch eine erfolgreiche Projektvorbereitung, Systemplanung, Einsatz digitaler Tools, Inbetriebnahmemanagement, Gebäudeautomation, ganzheitliche Energiekonzepte, Gebäudezertifizierungen, Praxisbeispiele – Mehrwerte, Business-Knigge und anderes mehr. Im Wintersemester 2022/23 habe ich bereits Sanitärtechnik für den Bachelorstudiengang Energie- Gebäude- und Umwelttechnik gelehrt und konnte hier meine Erfahrung als Gutachter für Trinkwasserhygiene einbringen. Das Modul Ausbau/Technische Gebäudeausrüstung, welches ich ebenfalls seit dem Wintersemester 2022/23 begleiten durfte, ist ein Gemeinschaftsmodul für Studierende der Masterstudiengänge Bauingenieur- und Wirtschaftsingenieurwesen und besteht aus Lehrinhalten zum Ausbau (KG 300) der Fakultät Bau sowie Grundlagen der Technischen Gebäudeausrüstung (KG 400) aus Fakultät ING. Im Wintersemester wird neben dem Modul „Technische Gebäudeausrüstung in der Praxis“ für den Masterstudiengang der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik sowie Angewandte Haustechnik/Softwareanwendung für Masteranden des Wirtschaftsingenieurwesens das interdisziplinäre Modul „Digitalisierung BIM“ für den Masterstudiengang der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik angeboten. In diesem Modul wird die BIM-Methodik mit den Einzelgewerken Objektplanung, Tragwerk, Fassade, Baubetrieb, Brandschutz, Technische Gebäudeausrüstung u.a. von den Studierenden „gelebt“. Das ist spannend und wird von den Studierenden sehr gut angenommen. Ich hatte das Glück, bereits im Wintersemester 2022/23 an der Fakultät Bau hineinschnuppern zu dürfen.
Seit dem Sommersemester 2023 lehre ich das Modul „Heizungstechnik“ für den Bachelorstudiengang der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik – Profillinie Energie- und Gebäudetechnik sowie „Umweltgerechte Haustechnik“ für die Profillinie Umwelttechnik. Zudem freut es mich, derzeit 11 Praktikums-, Bachelor- und Masterarbeiten betreuen zu dürfen.
A. Schreyer: Wie kommt es, dass Sie sich für diesen Forschungs- und Lehrbereich entschieden haben? Wussten Sie bereits vor dem Studium, welchen Weg Sie später einschlagen wollen?
Prof. Guzek: Die Gebäudeenergietechnik – ein spannendes Gebiet. Es gibt derzeit nur wenige Themenfelder, die mehr diskutiert werden als z.B. den Wärmeerzeuger der Zukunft oder Lösungsmöglichkeiten aus Trinkwasserverknappung.
Nach dem Abschluss meines Berufes zum Elektromonteur mit Abitur war für mich recht schnell klar, dass ich im technischen Bereich arbeiten und das Spektrum bestenfalls recht breit sein sollte. An der HTWK wurde der Studiengang Energie- und Versorgungstechnik angeboten, zum damaligen Zeitpunkt in Markleeberg. Ich entschied mich für den Studiengang und konnte mein Studium erfolgreich im Jahr 1997 abschließen. Anschließend war es für mich wichtig, Erfahrungen zu sammeln, insbesondere bei technische Anlagen im Gebäude. Ich hatte das Glück, für die damalige Zeit nicht selbstverständlich, nahtlos nach dem Studium einen Job als Projektleiter TGA bei der Firma Stangl in Halle beginnen zu dürfen und war von anfangs kleineren Projekten bis später zur Abwicklung von Großprojekten (u.a. HVU Allianz Unterföhring - Sprinklertechnik, Alexa Shoppingcenter Berlin – Heizungs- und Sanitärtechnik, AIRRAIL – später Squaire – Raumlufttechnik -Frankfurt/Main) betraut. Die Verbindung zur HTWK habe ich gehalten und mich 2005 entschieden, nebenberuflich im kooperativen Verfahren mit der TU Dresden zu promovieren. Eine herausfordernde Zeit, da nebenberuflich neben der eigentlichen Erstellung der Dissertation unter Nutzung der gekoppelten thermischen Gebäude- und Anlagensimulation mittels TRNSYS-TUD die Auflage zur Erfüllung von erfolgreichen Abschlüssen der Basisfächer Heizungs-, Raumluft- und Simulationstechnik, Regenerative Energien, Energiewirtschaftliche Bewertung und Wärmeversorgung (insgesamt 30SWS) nachgewiesen werden musste. Ende 2009 konnte ich dann erfolgreich meine Dissertation zum Thema „Energieeinsparung in Heizungsanlagen durch den hydraulischen Abgleich“ im Beisein meiner Doktorväter Prof. Dr.-Ing. habil. Wolfgang Richter und Prof. Dr.-Ing. Rainer Agsten verteidigen.
Es folgten berufliche Stationen als Niederlassungsleiter für TGA in Magdeburg und später der Einstieg in die Beratung in einem Dienstleistungsunternehmen, in dem ich noch beratend tätig bin. Dabei geht es in erster Linie darum, Investoren und Bauherren in ihren Bauprojekten und in ihren Bestandsimmobilien sowie beim An- und Verkauf technisch und wirtschaftlich auf dem Gebiet der Gebäudeenergietechnik mit dem Schwerpunkt Heizungs-, Sanitär-, Klimatechnik und Gebäudeautomation zu beraten sowie Risiken zu minimieren. Dabei war und ist es immer entscheidend, konkrete Mehrwerte abzubilden, sei es Termineinhaltung, fachliches Know-How bei der Inbetriebnahme/Abnahme/Übernahme von technischen Anlagen, Energieeffizienz unter Nutzung regenerativer Energien oder ein für den Kunden maßgeschneidertes Energiekonzept auszuarbeiten. Dabei muss die Energielösung nicht immer kompliziert sein. Sie kann einfach, sollte nachhaltig, bezahlbar und gut durchdacht sein.
Im Jahr 2020 war für mich schnell klar, mich auf die Professur „Gebäudeenergietechnik“ zu bewerben und ich freue mich, dass man sich für mich entschieden hat. Ich arbeite gern mit jungen Menschen zusammen. Wir erwarten von ihnen viel als unsere zukünftigen Leistungsträger, sei es als Experte oder Führungskraft. Ich freue mich deshalb einen Beitrag zu leisten, dass sie den immensen Anforderungen der Zukunft gerecht werden.
A. Schreyer: Was glauben Sie, sollten Studierende, die sich für ein Studium der Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik entscheiden, an Fähigkeiten und Interessen mitbringen?
Prof. Guzek: Ein solides Basiswissen, insbesondere in den MINT-Fächern, sehe ich als Grundvoraussetzung an. Ich denke, ein Interesse für energetische Zusammenhänge sollte ebenfalls vorhanden sein. Eine Portion Neugier und Unvoreingenommenheit, gerade im Hinblick auf Variantenbetrachtungen technischer Systeme wären von Vorteil. Neben den fachlichen Skills werden von mir in den Modulen auch Soft Skills vermittelt, die es ermöglichen, sich in der Geschäftswelt sicher bewegen zu können, sei es als Experte oder Führungskraft.
A. Schreyer: Welche neuen Projekte würden Sie gerne in Zukunft realisieren?
Prof. Guzek: Hier sehe ich Kooperationen mit Industriepartnern und Forschungsschwerpunkte zur Einhaltung der thermischen Behaglichkeit, Nutzerverhalten, Energieeinsparungen im Betrieb – das Monitoring und andere.
Aktuell unterstütze ich mit Ideen zur energetischen Sanierung der Turnhalle der HTWK Leipzig. Darüber hinaus bin ich gemeinsam mit Prof. Schneider und Prof. Huhn aktuell an energetischen Fragestellungen für die Stadtwerke Leipzig involviert. Glücklicherweise kann ich bereits auf ein gut ausgestattetes Labor in der Heizungstechnik und Trinkwasserhygiene an der Fakultät ING zurückgreifen. Neben energetischen Antworten erwartet die Gesellschaft von uns gerade im Hinblick auf die Einhaltung der Trinkwasserhygiene Antworten. Aktuell bin ich an der Inszenierung eines gemeinsamen Forschungsprojekts mit einem Gebäudetechnikausstatter, in dem es darum geht, disruptive Sensoren in der Trinkwassertechnik einzusetzen, um zum einen einfacher den hydraulischen Abgleich durchzuführen und zum anderen die notwendigen Wassertemperaturen zu kontrollieren, damit Legionellenbefall verhindert werden kann.
Weitere zukünftige Projekte sind im CSB (Customized Smart Building)-Bereich interessant, um den Nutzer stärker die Präsenz zu geben, den er verdient.